Werbung

Werbung
von Professor Dr. Wilfried Leven
I. Begriff und Arten
Unter Werbung versteht man die versuchte Meinungsbeeinflussung von ausgewählten Personengruppen durch besondere Kommunikationsmittel im Hinblick auf jeden beliebigen Gegenstand. Kommerzielle Anzeigen wurden angeblich schon in den Ruinen von Pompeji gefunden, das erste Werbebüro wurde 1843 von V. Palmer in Philadelphia gegründet. Werbung wird nicht nur von Unternehmen genutzt, sondern in zunehmendem Maße auch von nicht erwerbsorientierten Organisationen und staatlichen Stellen. Werbung ist eins der Kommunikationsinstrumente im Marketing-Mix; neben Werbung unterscheidet man zwischen Verkaufsförderung (Below the Line) und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
1. Ziele
Im Rahmen einer  Werbekampagne versucht der Werbetreibende, eine Werbebotschaft an eine oder mehrere  Zielgruppen zu übermitteln. Ziel vieler Werbekampagnen ist es, die Bekanntheit, Kaufabsicht oder  Einstellung (Image) der Zielgruppe gegenüber dem Werbeobjekt zu beeinflussen. Werbeobjekte können Produkte, Dienstleistungen (Industriewerbung, Handelswerbung), Ideen, Appelle, Organisationen (institutionelle Werbung, Corporate Identity) oder Personen sein.
2. Durchführung
Werbung wird durch Medien (Werbeträger) übermittelt (klassische Werbung). Wird der Empfänger persönlich durch einen Brief o.Ä. kontaktiert, so spricht man von Direktwerbung, die der so genannten  Below-the-Line-Kommunikation zugerechnet wird. Im Gegensatz dazu steht die Medienwerbung als klassische Form der Massenkommunikation, mit den wichtigen Gruppen  Printwerbung (Zeitungen, Zeitschriften) und  elektronische Werbung (Radio, TV, Internet, Kino etc.).
II. Werbung in Deutschland
Die Brutto-Werbeumsätze in Deutschland liegen 2002 bei etwa 16 Mio. Euro und sind damit auf das Niveau von 1999 gesunken. Gegenüber dem Vorjahr 2001 ist das ein Rückgang um 4,4 Prozent. Die Werbeumsätze bei Zeitschriften haben ein Minus von 7,2 Prozent zu verbuchen, die des Fernsehens –4,2 Prozent und der Zeitungen von –2,9 Prozent. Nur Fachzeitschriften wachsen um 1,2 Prozent. Das Sinken der Werbeumsätze ist nicht nur auf Preisreduktionen zurückführbar, sondern als reale Werbeeinschränkung zu werten, denn gleichzeitig hat sich das Medienangebot ausgeweitet und ausdifferenziert, so dass zum Erreichen der gleichen Kontaktintensität mehr Schaltungen in mehr Medien notwendig wären, was höhere Werbebudgets benötigen würde.
Die Einstellung der Konsumenten zur Werbung ist relativ konstant: 53,3 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren bestätigen die Nützlichkeit der Werbung durch Hinweise auf neue Produkte. Ca. 44 Prozent stufen Werbung als hilfreich für den Verbraucher ein. Allerdings gibt es immer wieder Diskussionen über die Werbemüdigkeit der Verbraucher, die aus dem immensen Werbeangebot resultieren soll. Für die Fernsehwerbung wird seit einiger Zeit das Problem des  Zapping diskutiert. Psychologisch könnte man hier von  Reaktanz der Verbraucher sprechen.
III. Entwicklung und Trends
1. Direktwerbung
In diesem Bereich wird in den nächsten Jahren mit weiterem Wachstum zu Ungunsten der klassischen Werbung gerechnet. Direktwerbung erstreckt sich weitgehend auf Werbebriefe, Prospekt, Druckschriften etc. (Direct Mailing). Im Rahmen einer zunehmenden Professionalisierung werden aus Einzelaktionen immer mehr Direktwerbe-Kampagnen, die, in mehreren Stufen systematisch aufgebaut, ein Kommunikationsziel erreichen wollen.
Der Erfolg der Direktwerbung ist v.a. auf die unmittelbare und gezielte Ansprache der Verbraucher zurückzuführen. Jede Zielgruppe kann individuell angesprochen werden und hat, im Gegensatz zur Medienwerbung, die Möglichkeit zum herausgeforderten Response.
Neben die klassische Direktwerbung per Brief, Postwurfsendung etc. ist die elektronische Variante in Form von Newslettern und E-Mails oder SMS getreten. Eine unangenehme Entwicklung sind dabei die so genannten Spam-Mails, also E-Mails, die automatisch an jede erreichbare E-Mail-Adresse versendet werden.
Überhaupt ist ein Problem der Direktwerbung die zunehmende Überschüttung der Verbraucher mit „Werbepost“. Um den daraus resultierenden Ablehnungsreaktionen zu begegnen wird zunehmend nur noch an Adressaten versendet, die vorher ihr Einverständnis erklärt haben, was naturgemäß v.a. im elektronischen Bereich möglich ist. Im Rahmen des so genannten One-to-One-Marketing werden Instrumente zur Individualisierung der Direktwerbung entwickelt, durch deren Einsatz der Adressat sich direkt angesprochen fühlen, die Werbeinformation als für sich nutzvoll empfinden und deshalb akzeptieren soll.
2. Hörfunk- und Fernsehwerbung
In der Vergangenheit wurden weitere Umbruchprozesse durch die wachsende Zahl der Sender und sinkende Technikkosten erwartet. Es hat sich aber gezeigt, dass sich nicht jedes Angebot seine Nachfrage verschafft, so dass sich die Zahl der Sender mehr oder weniger stabilisiert. Lokale und regionale TV-Sender haben es zunehmend schwer, die notwendigen Werbeeinnahmen zu generieren, was zu einer Marktbereinigung führt.
Das Problem des Zapping bei der Fernsehwerbung und der Werbemüdigkeit wird sowohl durch die Gestaltung von Spots, der Dauer der Werbeblöcke und deren Position innerhalb der Sendung als auch durch eine Vielzahl so genannter Werbesonderformen begegnet. Durch die Erhöhung des Unterhaltungswertes der Spots wird versucht, dem Zapping entgegenzuwirken. Sonderwerbeformen bestehen z.B. im Präsentieren einzelner Sendungen. Inzwischen werden aber auch schon ganze Sendereihen von werbetreibenden Unternehmen komplett produziert.  Product Placement ist gang und gebe.
Auch durch zeitweises Splitten des TV-Bildschirmes wird dem Zapping zu begegnen versucht: In einem Teil wird die eigentliche Sendung (z.B. eine Sportübertragung) fortgesetzt, in dem anderen Bildschirmsegment werden Werbespots gezeigt.
3. Werbung im Internet
In den Bereichen der elektronischen Werbung sind durch die Einführung und inzwischen weite Verbreitung des  Internets neue Möglichkeiten eröffnet worden. Gleichzeitig ist auch eine Konvergenz der Medien feststellbar: Techniken des Internets (Übertragungsprotokolle) werden zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt. Über TV-Satelliten lässt sich der Internetanschluss herstellen. Das führt in verstärktem Maß auch dazu, dass auch die Werbeformen verschmelzen: TV-Spots werden erst preisgünstig im Internet ausgestrahlt und quasi gestestet bevor sie im TV on Air gehen.
Die bekannteste Werbeform des Internet ist das  Banner. Ein in die Site eingeblendeter Bereich (Fenster), der Werbung und die Aufforderung beinhaltet, per Mausklick auf die Site des Werbenden zu wechseln. Die Homepage des Werbetreibenden ist mit dem Banner verlinkt und ermöglicht somit eine direkte Kommunikation mit dem Umworbenen. Banner lassen sich animieren, um erhöhte Aufmerksamkeitswirkung erzielen zu können (Animated Gif). Technisch ist es möglich, verschiedenen Nutzern auf der gleichen Internetseite verschiedene Banner zu präsentieren, je nachdem, für welche Inhalte sich der Nutzer interessieren könnte; hierzu prüft man z.B. auf welcher Seite er vorher war oder welche Suchbegriffe er in einer Suchmaschine eingibt. Dem Gestaltungsspielraum bei Bannern sind keine Grenzen gesetzt; es finden sich alle möglichen Spielarten im Netz: So genannte applikatorische Banner täuschen Anwendungen vor; narrative Banner erzählen Minigeschichten; Nanosite-Banner beinhalten echte, funktionsfähige Anwendungen. Banner sind derzeit noch immer das Hauptwerbemittel im Internet. Ihre Wirkung ist im Durchschnitt allerdings gering (durchschnittliche Ad Click Rate im Jahr 2000 ca. 0,5 Prozent, Tendenz fallend).
Weitere Formen der Werbung im Internet sind z.B. die Key-Word-Werbung oder Interstitial. Bei der Key-Word-Werbung bucht der Werbende eine Kombination aus einem Banner und spezifischen Produktbegriffen, bei deren Eingabe in eine Suchmaschine das Angebot des Werbenden aufgelistet wird. Häufig sind diese Schlüsselwörter auch direkt in der Codierung einer Website versteckt, und zwar in den so genannten Metatags. Metatags sind Stichworte und Textbausteine, die in der Programmiersprache HTML in einer Internetsite für den Nutzer unsichtbar programmiert sind. Viele Suchmaschinen verwenden die Metatags zum Indexieren. Sie sind somit eine wichtige Möglichkeit, spezifische Informationswünsche auf konkrete Anbietersites zu lenken.
Interstitial: Ähnlich wie beim Fernsehen gibt es auch im Internet Unterbrecherwerbung. Unabhängig vom Verhalten des Nutzers wird plötzlich ein Interstitial auf einem Bildschirm präsentiert. Diese können im selben Fenster, in einem neuen Fenster oder auch gänzlich bildschirmfüllend sein. Es kann sich dabei um das Einblenden eines Banners, einer Videosequenz oder Werbespots handeln. Sie müssen vom Benutzer entweder manuell wieder geschlossen werden oder enden nach Ablauf einer gewissen Zeit von selbst. Als grundsätzlich wirksamer wird Internet-Werbung angesehen, zu deren Einblendung der Nutzer explizit seine Zustimmung gegeben hat oder deren Einblendung aufgrund des Surfverhaltens aller Voraussicht nach akzeptiert wird.
4. Werbeentscheidungen
Bei der Ausarbeitung einer Werbekampagne befasst sich die Werbeplanung mit verschiedenen Entscheidungen hinsichtlich Werbebotschaft, Werbeetat, Werbemittel und Werbeträger (Media). Als Entscheidungshilfen stehen u.a. die verschiedenen Verfahren zur Werbeerfolgsprognose zur Verfügung.
Sind Werbeziel, Werbeobjekt und Zielgruppe festgestellt, werden Formen und Aussage der Werbebotschaft nach kreativen und psychologischen Gesichtspunkten festgelegt.
Bei der Ermittlung des Werbebudgets stehen mehrere Werbebudgetierungsverfahren und Werbewirkungsfunktionen zur Verfügung. Mit diesen Hilfsmitteln kann das Werbebudget nach rationalen Aspekten optimiert werden.
Zur Unterstützung der Entscheidung über die Auswahl der einzusetzenden Werbemittel (Anzeigen, Spots, etc.) kommen Tests zur Anwendung. Dazu werden verschiedene gestaltungsalternativen im Labor/Studio bzw. im Feld getestet und das beste Konzept ausgewählt.
Werbemittel und Werbeträger stehen naturgemäß in einem engen Zusammenhang. Die Entscheidung über den zu verwendenden Werbeträger (Mediaselektion) kann sich auf Mediaselektionsmodelle stützen. Informationen über Reichweite, Tausenderpreis etc. liefern Mediaanalysen. Anhand dieser Angaben lässt sich das optimale Medium bzw. die optimale Medienkombination für eine geplante Werbekampagne auswählen.
Werbeerfolgsprognose und Werbeerfolgskontrolle dienen der Vorausschau bzw. Kontrolle des Erfolges einzelner Werbemittel oder ganzer Werbekampagnen. Dazu stehen verschiedene Testformen zur Verfügung, die nach Testzeitpunk, -objekt und Methodik variieren (Pretest, Posttest). Diese Tests bedienen sich neben Probeläufen und der Methode zur Befragung auch apparativer Verfahren, z.B. Tachistoskop, Hauptwiderstandsmessung und Blickregistrierung.
5. Institutionelle Rahmenbedingungen
Werbung ist durch eine Reihe institutioneller Besonderheiten gekennzeichnet. So wird ein großer Teil des Werbemanagement nicht von den Werbetreibenden selbst, sondern von Werbeagenturen übernommen. Die einzelnen Berufsgruppen der Werbung (Werbeberufe) sind in verschiedenen Verbänden und Institutionen zusammengeschlossen ( Deutscher Kommunikationsverband,  Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft e.V. (DWG),  Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA e.V.,  Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW)). Eine wichtige Funktion im Hinblick auf Fehlentwicklungen in der Werbung übernimmt der  Deutsche Werberat als freiwilliges Kontrollorgan der Werbewirtschaft.
Die Aktivitäten der Werbetreibenden sind einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen, aber auch freiwilliger Selbstbeschränkung unterworfen ( Werbebeschränkungen). Gegenstand dieser Regelungen sind u.a. unlautere Werbung, Schleichwerbung (Product Placement), irreführende Werbung, sittenwidrige Werbung oder auch Werbung für einzelne Produkte oder Branchen (Medikamente, Lebensmittel, Tabakwaren, Autoreifen) oder einzelne Zielgruppen (Werbung für Kinder).
Art und Umfang der Regelungen, die in zunehmenden Maße von der EU kommen, resultieren auch aus dem vorgestellten Bild des Verbrauchers: Während lange Zeit die Mündigkeit und Selbstverantwortlichkeit des Verbrauchers betont wurde, scheint jetzt zunehmend von seiner Unmündigkeit und Schutzbedürftigkeit bei der Gesetzgebung ausgegangen zu werden, was zu zunehmender Reglementierung führt.
Neben zunehmender Reglementierung sind aber auch einzelne Liberalisierungen zu beobachten: So ist die früher in Deutschland verbotene vergleichende Werbung seit Mitte 1998 mit aus EG-Richtlinien resultierenden Einschränkungen erlaubt. Wichtige Regeln sind, dass der Vergleich nicht in die Irre führen darf oder dass weder Marken, die Handelsnamen oder andere Unterscheidungszeichen noch die Waren, Dienstleistungen, die Tätigkeiten oder die Verhältnisse eines Konkurrenten herabgesetzt oder verunglimpft werden dürfen. Vergleichende Werbung wird auch von den Werbetreibenden genutzt, allerdings in geringem Maß, was teils an fehlender Erfahrung liegen mag, v.a. aber aus Werbewirkungsgesetzmäßigkeiten zu resultieren scheint, denn der Vergleich beinhaltet immer auch Werbung für den Wettbewerber, mit dem man sich vergleicht. Literatursuche zu "Werbung" auf www.gabler.de

Lexikon der Economics. 2013.

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